Montag, 07.01.2013
Kommt der Prophet nicht zum Berg, geht eben der Berg zum Propheten. Als wir in ersten Sonnenstrahlen noch schlaftrunken unser Zelt öffnen, trauen wir unseren Augen kaum – direkt neben unserem „Campingplatz“ haben etwa 10 Nomaden ihr Nachtlager aufgeschlagen, um bei erkennen der ersten Lebenszeichen für uns einen persönlichen Marktplatz zu eröffnen und mit ihren Souvenirs zu beglücken.
Nein, wir möchten wirklich nicht das Holzkamel im Maßstab 1:10 in Holz mitnehmen. Und auch für den geflochtenen Korb, in dem wir die Nahrungsvorräte mindestens bis Nairobi hätten unterbringen können, haben wir wirklich keine Verwendung. Auch als sie merken, dass sie mit uns heute kein Geschäft machen können, werden sie nicht aufdringlich und so beginnen wir eine Konversation mit Händen, Füßen und sehr sehr gebrochenem Englisch. Wir lernen, dass sie mit Ihren kleinen Herden ein paar Kilometer westlich entlang des Nil ziehen und keiner von Ihnen weniger als 6 Kinder hat. Zu einem Deal kommt es zwar nicht, aber Ernie, Bert und einige andere Spielsachen, die bei uns ausgedient hatten, finden nun ein neues Zuhause.
Die aufgehende Sonne wärmt schnell, aber trotzdem sorgt ein kühler Wind für Unbehagen – frösteln 2.000 km nördlich des Äquator.
Noch ein bisschen Kultur: Die nubischen Pyramiden von Meroe sind mit einer Höhe von etwa 30m wesentlich kleiner, als ihre ägyptischen „Verwandten“. Dafür findet man sich nicht in einem Getümmel von Menschen, klickenden Kameras und Heerscharen von Händlern wieder. Wir hatten die Pyramiden „für uns“.
Im Aufbau unterscheiden sie sich deutlich: Die Grabkammern liegen im Gegensatz zu den ägyptischen Pyramiden unter und nicht in der Pyramide. Das heißt, es befinden sich keine Räume innerhalb des eigentlichen Pyramidenbaues. Unter der Pyramide hatten Könige ein Grabsystem mit drei Kammern, wobei die ersten beiden meist mit Pfeilern dekoriert waren. In der letzten Kammer wurde der Tote bestattet, Königinnen hatten dagegen nur zwei unterirdische Kammern, wobei auch die späteren Könige nur ein Zweikammergrab besaßen. Vor der Pyramide befindet sich dann ein kleiner, meist mit Reliefs verzierter Totentempel und wäre nach unserem Verständnis wohl so etwas wie der Grabstein mit Innschrift. Hier steht der Name des Toten (in einer für uns nicht verständlichen Schrift), meist zusammen mit Szenen aus der Unterwelt. Was die wohl für einen Lebenswandel geführt haben, wenn selbst auf den Gräbern der Könige Szenen aus der Unterwelt dargestellt werden, würde mich doch schon mal interessieren. Bei den Königinnen ist es übrigens nicht anders ….
Wir überlegen mit Antonio und Angela, Khartum auf einer 500km Pistenstrecke östlich weiträumig zu umfahren. Sprit und Ausrüstung sind vorhanden und mit zwei Fahrzeugen sollte dies auch kein Problem sein. Aber Antonio muss ein paar kleinere technische Reparaturen vornehmen, bevor er wieder ins Gelände geht und beschließt, deswegen, nach Khartum zu fahren. Wir selbst fahren ein Stück weit in die gleiche Richtung, wollen aber in jedem Fall an diesem Tag noch bis Wad Madani, knapp 200km südöstlich von Khartum.
Nächster Treffpunkt in ein paar Tagen ist das Tim & Kim Village am Lake Tana in Äthiopien.
Auch wir machen uns auf den Weg und erreichen im spätnachmittaglichen Verkehr Khartoum. Khartum ist ein typisches Beispiel für die zunehmende Agglomeration der afrikanischen Städte, also das Zusammenwachsen der ursprünglichen Stadtkerne mit ihrem Umland und ihre Entwicklung zu riesigen Stadtgebieten. Hatte die Kernstadt von Khartum Mitte der 80er Jahre, also vor gerade mal 30 Jahren, 500.000 Einwohner und war damit gerade mal so groß wie Stuttgart, so hat ist Khartum im Stadtgebiet auf heute mehr als 2,5 Mio. Einwohner herangewachsen. Die Metropolitan Region, bei der keine Grenze mehr zwischen den ursprünglich eigenen Städten erkennbar ist, reicht mit Omduman und Khartoum Bari jetzt knapp an die 10 Mio. Einwohner heran.
Trotz der mit diesem immens schnellen Wachstums verbundenen laufenden Veränderungen, ist unser Kartenmaterial von Tracks4Africa und OSM (Open Street Map) erstaunlich akkurat. Ja, irgendwann führte es uns mitten in eine Baustelle und Mitten auf der vermeintlichen Straße stand ein Neubau. Aber doch schneller als gedacht, kommen wir irgendwie am Ostrand durch und um die Stadt.
Es ist schon sträflich dunkel, als wir in Wad Madani unser Ziel erreichen. Nil Valley Hotel heißt das Objekt der Begierde, na, das hört sich doch gut an. Wir träumen von einem Restaurant, Blick auf den Nil und einer warmen Dusche. Haaalo, aufwachen, das ist der Südosten des Sudan – habt ihr das nicht immer nicht kapiert! Blubb, Traum geplatzt. Restaurant gab es im Hotel keines, Nil ist irgendwo im Ort und wie die Zimmer aussahen wollt ihr gar nicht wissen. Aber zumindest unser Mobby hatte einen Traumplatz direkt im Eingangsbereich vor den geschlossenen Augen des Nachtwächters.
Zum Abendessen geht es mit dem Tuk-Tuk zum Restaurant. Erinnert etwas an eine Mischung aus Kantine Bahnhofsschnellgaststätte – Tischdecken (!), abgefallener Verputz, gefliester Boden. Aber es soll das beste Restaurant im Ort sein. Und wir werden von dem Abend nicht enttäuscht sein – das Essen ist o.k. mit für knapp 5 Euro mit Getränken und Vorspeise o.k.. Das Erlebnis des Abends ereignet sich aber am Nachbartisch.
Wie im Sudan die Frau zum Mann kommt
Nichts Überraschendes eigentlich, jeder hat davon schon gehört, im Fernsehen gesehen, gelesen. aber wir haben dieses Prozedere zum ersten mal „Live“ miterlebt. Am Nachbartisch nimmt ein Mann in traditioneller sudanesischer Kleidung Platz, begleitet von 3 Mädchen im Alter von geschätzt höchstens 15 bis 19 Jahren. Alle sehr gepflegt und elegant, die Mädchen mit bunten, schon fast edel aussehenden Kopftüchern. Gut, wir sind ja auch im besten Restaurant vor Ort ;). Wenig später setzt sich ein in „Business Casual“ gekleideter aber offensichtlich wohlhabender Mann mit seiner schon „älteren“ (also etwa 20 Jahre) Frau hinzu. Nach einem kurzen Vorgespräch mit dem anderen Herrn unterhält er sich nacheinander einzeln mit den Mädchen. Dann mit seiner Frau, dem anderen Mann und dann nur noch mit einem der Mädchen. Was wir nur vermuteten, wurde uns später von Kim bestätigt: Der Mann hat sich seine Zweitfrau ausgesucht, es war (natürlich) die Jüngste. Eigentlich noch ein Kind. Und damit es zu Hause nicht zu viel Theater gibt, ist seine Erstfrau zumindest mit dabei. Wir sind im südlichsten Ende des Sudan.