Donnerstag, 10.01.2013

Auch wenn es am Vorabend reichlich spät war, bis wir in unsere Schlafsäcke gekrochen sind, machen wir uns mit Sonnenaufgang auf den Weg über Bahir Dar nach Addis Abeba. Rund 750km sind es und wir wollen die Strecke in zwei Tagen schaffen.

Frühstück gibt es unterwegs. Nein, wir wissen nicht was es ist, aber es schmeckt.

You Never Walk Alone

Über die Bevölkerungsentwicklung und Dichte hatten wir ja bereits geschrieben. Diese wird uns schnell allgegenwärtig,denn die gesamte Bevölkerung Äthiopiens scheint entlang der Straßen zu leben. Selbst in den vermeintlich entlegensten Gebieten dauert es aber keine 30 Sekunden nachdem man angehalten hat, bis hinter irgendeinem Busch meist ein Kind, das dort eine Ziege hütet, hervorgerannt kommt, und uns mit lautem „You, you“ freudig erregt begrüßt. Dieses „You, You“ ist dann auch der Alarmruf für alles, was sich in Hörweite bewegen kann. Ältere Kinder sind bereits akustisch daran zu erkennen, dass sie das reine „You, you“ aus den frühen Kindertagen um „Pen, Pen !“ ergänzen. Wir vermuten, dass im Rahmen der Entwicklung der Bewölkerung mit „You, you !“ die ersten Worte der Kinder dem lange verbreiteten „Mama“ und „Papa“ (in welcher Sprache auch immer) weichen musste.

Sie sind nicht wirklich aufdringlich, aber es nervt bisweilen. Insbesondere, wenn ein Stopp nicht einer Pause oder Besichtigung, sondern der Befriedigung elementarer biologischer Bedürfnisse dient. Wir haben am Ende den besten Erfolg mit folgender Technik erzielt (70% Erfolgsquote): Man suche einen Busch auf einer möglichst hoch- und abgelegenen Stelle und bereite sich mental auf das bevorstehende vor. Dann anhalten und es verbleiben etwa 30 Sekunden bis zum „You-You“ Alarmruf. Ist man abgelegen genug, verbleiben weitere 30 Sekunden zum Abschluss des Geschäfts. Spätestens dann ist es vorbei und man sollte verrichteter Dinge wieder im Wagen sein.

Die Strecke zieht sich durch das Hochland nach Bahir Dar. Bei einer Höhe von konstant um die 2.500m über N.N. ist dsas Klima sehr angenehm, manchmal beinahe schon etwas kühl.

Um die Mittagszeit erreichen wir Bahir Dar einige Kilometer westlich der Quelle des Blauen Nil. in ca. 1850 m Höhe. Der Abfluss des Blauen Nils am Ostrand der Stadt wird durch einen Staudamm reguliert und so erinnert er insbesondere jetzt in der Trockenzeit mehr an einen gemächlich vor sich hinfließenden Fluß denn an einen mächtigen Strom. Der Blaue Nil ist aber auch nur „der kleine Bruder“ des weißen Nil, der seinen Ursprung am Viktoriasee hat. Bevor sich die beiden in Khartum im Sudan vereinen, hat der Weiße Nil mit einer Strecke von fast 4.000km den rund 2,5 fachen Weg des Blauen Nil hinter sich – und ein fünfmal so großes Einzugsgebiet.

Nach inzwischen mehr als 6.000km gönnen wir unserem Mobby beim „Blue Nile Car Wash“ auch ein Bad. Gefühlt kommt ein Zentner an Staub runter.

Sehr viel Sehenswertes gibt es in Barhir Dar nicht – außer einem Geldautomaten, der endlich auch wieder internationale Kreditkarten akzeptiert. Der erste seit Assuan in Ägypten.

Kaum haben wir die Stadtgrenze von Bahri Dar verlassen, wird es schnell wieder ländlich. Afrikanisch ländlich. Die Menschen leben von der Viehzucht und ein wenig Ackerbau und die Rollen sind klar verteilt.

Irgendwo, wo es niemand erwartet hätte, taucht plötzlich ein Straßencafe neben der Strecke auf. Wie wir erfahren bilden hauptsächlich Polizei und Militär, die die nahegelegene Brücke bewachen, die Kundschaft. Nachvollziehbar, denn ohne diese Brücke wäre ein Großteil des Nordwesten des Landes von der Verbindung zur Hauptstadt abgeschnitten. Sonst nichts, nur Stille. Lediglich ein Mann, den Rücken mit Gepäck beladen und die Kleidung verschlissen, kommt zu Fuß seines Wegs. Die Inhaberin des Cafes erklärt uns, dass er auf dem Weg nach Addis Abeba ist. Das sind von hier noch stramme 300km.