Fortsetzung…
Genade ist in dem Ort geboren und gehört zu denjenigen, die „es geschafft“ haben. Er hat die Schule abgeschlossen und studiert. Obwohl der Ort inzwischen rund 5.000 Einwohner hat – jeder kennt ihn und so dauert es nicht lange, bis wir bei einer vergleichsweise wohlhabenden Familie eingeladen sind.
Zur Begrüßung gibt es nach schon fast deutscher Tradition erst mal ein Talla. Die Äthiopier bezeichnen dies als Bier, was mir mit süddeutschen Wurzeln allerdings sehr viel Fantasie abverlangt. Es wird aber in der Tat ähnlich wie Bier hergestellt, nur dass als Hauptzutat Hirse dient. Von der Konsistenz erinnert es auch etwas mehr an Haferbrei – aber es hat Alkohol, und das nicht zu wenig.
Getrunken wird aus einer Kalebasse, (das ist die getrocknete Hülle des Flaschenkürbisses und dient als allgemein als Trink- und Aufbewahrungsgefäß), und das auch bereits am Morgen. Übrigens ist Talla nicht nur für Erwachsene, auch die Kinder bekommen ab dem Alter von etwa zwei Jahren zum Frühstück erst mal einen Schluck Talla. Bier als Grundnahrungsmittel-so ganz weit hergeholt ist das ja nun auch wieder nicht . Dem dadurch benötigten Verbrauch entsprechend sind auch die Aufbewahrungsgefäße für das Talla.
Auf dem Rückweg nach „Konso Downtown“ besuchen wir etwas außerhalb gelegen den Markt. Er ist das Ereignis, und viele nehmen bis zu zwei Tagesmärsche in Kauf, um auf dem Markt ihre Waren feilzubieten und sich, wenn es irgendwie geht, zumindest mit dem nötigsten einzudecken.
Dominiert wird das Marktgeschehen ausschließlich von Frauen. Sie schleppen die Waren zum Markt, kaufen, verkaufen und dann das Ganze wieder zurück in ihr Dorf.
Apropos „das Notwendigste“: Wasser ist vielerorts Mangelware und muss oftmals über viele Kilometer herangebracht werden. Was aber die Frauen hier in 20 Liter Kanistern abfüllen und in Tagesmärschen nach Hause schleppen, ist nicht Wasser, sondern hochprozentiger Schnaps für die Männer – auch zum Abfüllen. Olya meint, und das wahrscheinlich gar nicht ganz zu Unrecht, dass sie hier lieber als Esel denn als Frau geboren sein möchte.
Nachdem wir uns von Genade herzlich verabschiedet haben, machen uns auf den Weg nach Jinka, der Hauptstadt der Region Omo Valley. Es ist bereits früher Nachmittag, wir haben rund 160km vor uns und keine verlässliche Angabe über den Zustand der Strecke aus der, dass eine Brücke eingebrochen und die Gegend wegen immer wieder aufflammender Stammesfehden bisweilen nicht ganz sicher ist.
Die Strecke zieht sich durch nicht enden wollende Buschsavanne aus dem Hochland in das Omo Valley. Und mit abnehmender Höhe können wir schon beinahe im Minutenturnus sehen, wie die Temperatur steigt. Wir haben Januar, befinden uns zumindest laut GPS noch immer deutlich auf der Nordhalbkugel des Planeten Erde (gefühlt sind wir da aber gar nicht mehr immer ganz sicher) und es ist schon später Nachmittag, als das Thermometer noch immer bei 38 Grad steht.
Die Welt ist ein Dorf
Einige Monate zuvor hatten wir beim Buschtaxitreffen noch in Deutschland Tim und Tanja kennenglernt. Sie waren über drei Jahre in Afrika unterwegs und hatten auch eine längere Zeit im Omo Valley verbracht. Dort hatten sie mit Mamo einen Guide kennengelernt, der sieben der dortigen Stammessprachen beherrscht und dazu ein fließendes Englisch. Wir hatten daraufhin über Monate versucht, mit Mamo Kontakt aufzunehmen – vergeblich. Und dann kommt alles ganz anders.
Wir möchten einige der dortigen Stämme, unter anderem den der Mursi, besuchen. Diese Stämme leben oft bis zu 100km außerhalb von Jinka und wir wissen, dass wir ohne Guide weder den Weg noch einen Zutritt zu den Dörfern finden werden. Also ist unsere erste Anlaufstation die in mehreren Berichten empfohlene „Pioneer Guide Association“. Freundlich begrüßt besprechen wir mit unserem Guide die Pläne. Den Besuch der Stamm der Mursi verwerfen wir, da dies eine Touristenattraktion geworden ist und vom ursprünglichen Leben des Stammes nicht viel übrig blieb. Der Weg dorthin wurde ausgebaut und so besuchen inzwischen ganze Busse diesen durch ihren Tellerlippenschmuck bekannten Stamm. Die Menschen haben ihre ursprüngliche Lebensform weitgehend aufgegeben und leben heute von Eintrittsgeldern in ihr Dorf, Aufführungen für Touristen und dem Verkauf von Souvenirs. Und spätestens ab dem Nachmittag zeigt dann auch das Talla seine Wirkung und die Mehrheit der männlichen Stammesbevölkerung ist zumindest nur noch „gut angeheitert“ anzutreffen. Nicht unser Ding.
Unser Guide schlägt uns daher vor, eine von der Strecke her etwas längere, aber dafür ursprünglichere Tour zu machen. Diese führt über den Ort Turmi zum Stamm der Hama, bei dem am nächsten Tag das „Bull Jumping“ stattfindet (dazu später mehr), und dann weiter zu den Arbore, einem der am abgelegensten lebenden Stämme. Hört sich gut an. Als wir uns gerade verabschieden, fragt Olya noch nach seinem Namen. „Oh, my name is Mamo.“ Die Welt ist ein Dorf.